Roland Scheck

Velofreaks

Velofahrer fühlen sich moralisch überlegen. Sie retten ja schliesslich die Welt und deshalb stehen sie etwas näher beim Herrgott als die übrigen Verkehrsteilnehmer. Wer derart Gutes tut, spricht sich auch mehr Rechte zu. Gute Menschen, die jeden Tag die Welt retten, wollen nicht mit profanen Verkehrsregeln belästigt werden. Vorschriften gelten für die Anderen, die schlechten Menschen. Und Verkehrsabgaben? Um Himmels Willen, nein! Gute Menschen dürfen fordern, schlechte Menschen müssen zahlen. Für die eigenen Begehrlichkeiten im Veloinfrastrukturausbau haben die Anderen aufzukommen.

Dies ist grob zusammengefasst das Selbstverständnis der meisten Velofahrer. Anders lässt sich das selbstherrliche und rücksichtslose Verhalten im Strassenverkehr nicht erklären.

Als wären Velofreaks auf der Strasse nicht schon schlimm genug, sitzen diese in der Stadt Zürich auch noch in der Regierung. Damit wird die Werthaltung, moralisch überlegen zu sein und über dem Gesetz zu stehen, gar behördenverbindlich legitimiert. Eine solche Regierung erlässt im Tiefbaudepartement einen Masterplan Velo, wo klipp und klar drin steht, dass alle übrigen Verkehrsmittel zu Gunsten des Velos Nachteile in Kauf nehmen müssten. Und im Polizeidepartement will das stadträtliche Credo, dass Autofahrer systematisch schikaniert und ausgenommen werden. Für die kleinsten Übertretungen hagelt es rigorose Bussen. Velofahrer hingegen werden gehätschelt und gepflegt. Es gibt niemanden in der Stadt, dem nicht auffallen würde, dass die Polizei bei Verkehrsregelverstössen von Velofahrern systematisch wegschaut.

Dies zeigt sich auch bei den Bussenerträgen. Im Jahr 2012 wurden 54 283 000 Franken aus Ordnungsbussen erhoben. Davon entfallen gerade mal 33 000 Franken auf das Mofa und das Velo. Also lächerliche 0.06 Prozent! Wegschauen heisst die Devise und so kann der Stadtrat auch nicht sagen, wie viel dieser 0.06 Prozent auf das Mofa und wie viel davon auf das Velo entfällt. Es können auch keine Auskünfte darüber gemacht werden, wie viele jährliche Personentage Aufwand zur Kontrolle des Veloverkehrs eingesetzt werden. Wer Fehlleistungen vertuschen möchte, verzichtet halt besser auf das Führen einer Statistik. Zahlen machen nur angreifbar.

Die Verherrlichung des Veloverkehrs nimmt in der Stadt Zürich fast schon religiöse Züge an. Dabei scheint den Velofreaks im Stadtrat aber ganz offensichtlich nicht bewusst zu sein, dass es bei den Verkehrsregeln und deren Durchsetzung letztendlich um Sicherheit geht. Wer aus ideologischen Gründen die Sicherheit vernachlässigt, handelt fahrlässig. Wem Ideologien wichtiger sind als die Sicherheit, täte gut daran, den Platz für verantwortungsbewusstere Kräfte freizumachen.

Artikel erschienen am 22.11.2013 im «Der Zürcher Bote»