Roland Scheck

Städtische Informationspraxis

Wer Lust auf ein wildes Kunterbunt an Informationen hat, abonniert sich via RSS-Feed die Medienmitteilungen der Stadt Zürich. Hier alternieren Belanglosigkeiten, Straftaten, politische Beeinflussung und gezielte Nicht-Information. Nur hier erfährt die Bevölkerung, dass die Stadt Zürich neu zwei unterschiedliche Samenmischungen anbietet, die sich insbesondere zur Begrünung von Baumrabatten eignen. Wichtig für den urbanen Bürger ist auch zu wissen, dass sich über den Winter ein Biber in die zürcherische Limmat vorgewagt hat. Mit dem öffentlichen Aufruf «Anefahre, lüüte, käfele» fordert der velofanatische Stadtrat alle Velofahrer auf, in eine Fahrverbotszone hineinzufahren. Und nach dem temporären Spurabbau auf dem Utoquai informiert der autofeindliche Stadtrat die Öffentlichkeit: «Während dieser Zeit kam es zu keinen nennenswerten Behinderungen». Vor allem für das angerufene Verwaltungsgericht ist es natürlich wichtig zu wissen, dass Staus zwischen Bellevue bis Tiefenbrunnen und Zollikon als nicht nennenswert zu beurteilen sind.

Das Mitteilungsbedürfnis des rot-grünen Stadtrats wird jedoch akut gebremst, wenn es um unvorteilhafte Nachrichten aus der Sozial- und Asylindustrie geht. Dann schwenkt die Redseligkeit gar in gezielte Nicht-Information um. So erfuhr beispielsweise niemand, weder Medien noch die Bevölkerung, dass in einer stadtzürcher Asylunterkunft fast vier Kilogramm Marihuana gefunden wurden. Das gutmenschliche Versteckspiel wäre beinahe aufgegangen, wären da nicht die SVP und ihre Sympathisanten, die Missstände ans Tageslicht bringen. Auf eine parlamentarische Anfrage der SVP musste der Stadtrat schliesslich zugeben, dass es diesen Drogenfund tatsächlich gab. Die Nicht-Information der Öffentlichkeit rechtfertigt der Stadtrat wie folgt: «Da die damals sichergestellte Menge nicht zugeordnet werden konnte und noch weitere Abklärungen im Gange sind, wurde auf eine aktive Medienorientierung verzichtet.» Aha! Erhellend auch die folgende Aussage: «Die Stadtpolizei pflegt seit vielen Jahren eine offene und transparente Informationspolitik und verschweigt keine relevanten Vorkommnisse.» So, so…und wie soll es nun weitergehen? «Der Stadtrat ist der Ansicht, dass in angemessener Form über Drogenfunde im Allgemeinen und in Asylunterkünften im Speziellen informiert wird und die Informationspolitik deshalb nicht verbessert werden muss.»

Bei so wenig Selbstreflexion fehlen selbst einem fadengraden Fadegrad-Kolumnenschreiber die Worte. Deshalb sei an dieser Stelle lediglich noch ein Veranstaltungshinweis erwähnt: Am 9. Februar 2014 finden die Gesamterneuerungswahlen des Stadtrats statt.

Artikel erschienen am 17.05.2013 im «Der Zürcher Bote»